Der Verband der Fluggesellschaften will die automatisierten Personen- und Handgepäckkontrollen auf Flughäfen vorantreiben. In Zukukunft sollen „riskante“ Reisende stärker gescannt werden. Die Zeiten mit dem persönlichen Tatsch sind vorbei.
Singapur – Wer oft fliegt, der kennt es: Ewiges Warten vor der Sicherheitskontrolle am Flughafen. Vor der Röntgenmaschine Laptop rausholen, Gürtel ausziehen und manchmal auch die Schuhe. Ist das Portemonaie nach dem piependen Türrahmen noch da? Und war dies der graue Kasten mit meinem Handy? Vor 20 Jahren war Fliegen noch einfacher und schneller. Es gab viel mehr Kontrollen für weniger Gebühren und weniger Wartezeit, weil man meist noch direkt am Flugsteig einchecken konnte und dort „persönlich“ durchsucht wurde – ohne zugleich mit Passagieren von fünf anderen Großraumjets durchgeschleust werden zu müssen. Auch die Mineralwasserpreise auf Flughäfen waren günstiger, denn selbst mitgebrachte Plastikfläschchen waren eine echte Konkurrenz von Heinemann und Co.
In Zukunft und vielleicht schon sehr bald soll sich laut dem Verband der Fluggesellschaften IATA diese Situation deutlich verbessern. Auf einer Verbandstagung in Singapur wurde der Öffentlichkeit der Prototyp einer automatischen Sicherheitskontrolle vorgestellt.
Der besteht aus einem etwa zehn Meter langen Röhre mit dem himmlischen Namen „Checkpoint der Zukunft“. Da sollen die Passagiere in Zukunft durchbummeln wie durch eine Shoppingpassage und werden dabei von keinem mehr oder weniger mürrischen Securitymenschen mehr angefasst. Auch das Toiletenset mit der frischen Zahnbürste und zugehöriger Paste bleibt unangetastet.
Um aber dennoch sämtliche Risiken auszuschließen werden gleich drei Röhren nebeneinander gestellt. Je nachdem wie gefährlich er wirkt. Alle Fluggäste werden nach ihrem Risikopotenzial eingeordnet und passieren die jeweils für ihre Risikogruppe vorgesehene Röhre.
Erste Kategorie heißt nicht unbedingt erste Klasse – und umgekehrt: Auch Economy-Passagiere können unter Umständen zur 1A-Gruppe gehören. Nämlich dann, wenn sie ihre Daten und ihre biometrischen Merkmale zuvor hinterlegt haben. Mitsamt ihrem Handgepäck werden sie beim Passieren der Röhre auf gefährliche Gegenstände und Flüssigkeiten gescannt. Ein bissl halt. Weder Handgepäck noch Kleidungsstücke müssen auf ein Band gelegt werden.
Anders sieht es schon bei der zweiten Kategorie aus. Wer vor dem Eintreten in den Tunnel nicht bekannt ist, der wird in Röhre zwei für Normalos zusätzlich nach Sprengstoffen abgeschnüffelt – auch durch den Tunnel und vollautomatisch. Richtig spannend wirds in der ebenfalls parallel angeordneten dritten Röhre. Wer da durch muss, der ist höchst verdächtig und ziemlich wahrscheinlich vorbestraft. Denn hier müssen Passagiere durch, die als besonders risikobehaftet gelten. In Röhre drei sind alle Scanner schärfer justiert. Es strahlt und blinkt bis zum Ausgang. Erst wenn wirklich nichts piept dann darf auch dieser Gast an Bord.
Besonders bei Gruppenreisenden könnte so auch der, der keinen Sprengstoff persönlich bei sich trägt während der Reise zum sozialen Sprengstoff werden. Nämlich dann, wenn er als einziges Gruppenmitglied durch den „Risiko-Tunnel“ musste und fortan dadurch für Gesprächsstoff sorgt.
Bis 2016 sollen die Tunnelröhren praxistauglich sein. Noch ist jedoch nicht klar, welche Scanner-Techniken eingesetzt werden und wie die zahlenden Fluggäste reagieren. Für die immer nach neuen Einnahmen schielenden Airlines könnten sich ganz neue Ertragsquellen auftun. Statt nur Fenster- oder Notausgangsplätze teurer zu verkaufen bestünde auch die Möglichkeit in einer „No-Risk-Cat3“-Kabine gegen Zuzahlung zu fliegen. Denn wer fühlt sich als Cat1-Gast auf einem Langstrecken-Nachtflug schon wohl zwischen einer Gruppe Cat3-Paxe.
Warum ein einzelner Tunnel nicht ausreicht und eine Kategoriesierung überhaupt notwendig ist, bleibt unklar. Ebenso die Frage, ob für die unterschiedlichen Gefahrentunnel unterschiedliche Gebühren anfallen. Am wichtigsten dürfte jedoch die Frage sein, wie die Kunden real reagieren. Denn die Wiedereinführung von Kastendenken wird in unterschiedlichen Kulturkreisen sehr unterschiedlich bewertet.
Foto: IATA