DLR 2019 – Forschen für Energiewende, sauberen Luftverkehr und besseres Verstehen des Universums


14 Feb 2019 [16:29h]     Bookmark and Share


DLR 2019 – Forschen für Energiewende, sauberen Luftverkehr und besseres Verstehen des Universums

Foto: Carstino Delmonte


Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) präsentierte am 14. Februar 2019 bei der Jahrespressekonferenz in Berlin ausgewählte Highlights aus seinen Forschungs- und Managementaktivitäten 2019.

Berlin – Die Vorstandsvorsitzende des DLR, Prof. Dr. Pascale Ehrenfreund, sprach über die besonderen Herausforderungen und Ziele für das laufende Jahr. Sie stellte zudem Forschungsarbeiten aus den Bereichen Digitalisierung und Sicherheit vor – den Querschnittsbereichen, bei denen die DLR-Wissenschaftler fachbereichsübergreifend arbeiten.

Ehrenfreund betonte die Bedeutung der Forschung an künstlicher Intelligenz sowie Big- und Smart-Data und sagte: „Wissenschaftliche Erkenntnisse bilden das Fundament aller späteren Anwendungen. Um uns neue Technologien und Forschungsfelder zu erschließen, von der Quantentechnologie über das unbemannte Fliegen bis hin zu neuen Wärmespeicherkraftwerken, benötigen wir eine interdisziplinäre und bahnbrechende Forschung. Dies wird uns durch die sieben neuen DLR-Institute und -Einrichtungen möglich sein, mit deren Aufbau wir 2019 beginnen werden.“

Elektrisch, unbemannt, digitalisiert – drei Attribute der aktuellen DLR-Luftfahrtforschung

Damit der Luftverkehr der Zukunft leiser und emissionsfrei werden kann, entwickeln die DLR-Luftfahrtforscher auch in diesem Jahr Konzepte für neue Antriebstechnologien weiter. Elektrische Antriebe haben das Potenzial, zugleich lärmreduziert, energieeffizient und klimaneutral zu fliegen. Luftfahrt- und Energieforscher des DLR testeten bereits 2016 das erste viersitzige Brennstoffzellen-Flugzeug im Flug. Für 2019 sind Testflüge der nächsten Evolutionsstufe dieser Passagiermaschine geplant. Neben verschiedenen Energieträgern und Antriebstechnologien arbeiten Wissen­schaftler außerdem an neuen Betriebsmodellen und Flugzeug­konfigurationen, die zum Beispiel verteilte Antriebe am Flügel vorsehen.

Ob urbaner Gütertransport, Unterstützung bei der Katastrophenhilfe oder zukünftig Personentransport mit Air Taxis: Unbemannte Luftfahrtsysteme, sogenannte Unmanned Aereal Systems (UAS), stehen an der Schwelle, im zivilen Bereich eine große wirtschaftliche Rolle zu spielen. Um die Entwicklung neuer Technologien für den sicheren Flug, präzise Positionsbestimmung und stabile Datenverbindungen zu Bodenstationen voranzubringen, wird das DLR erstmals in Europa ein nationales Erprobungszentrum für UAVs errichten.

Die DLR-Luftfahrtforschung geht auch die nächsten Schritte in der Digitalisierung der Luftfahrt. Mit dem virtuellen Produkt – einem hochgenauen digitalen Abbild des realen Produkts über seinen kompletten Lebenszyklus – kann in Zukunft sowohl die Entwicklung als auch die Wartung von Luftfahrtsystemen effizienter und damit kostengünstiger werden.

Röntgenastronomie, neue Raumfahrtinstitute und ein „Maulwurf“ hämmert sich in den Mars

Ab 2019 sollen insgesamt sieben neue DLR-Institute und -Einrichtungen entstehen, darunter vier für die Raumfahrtforschung und -technologie. Der Standort Neustrelitz wird um das DLR-Institut für Weltraumwetter ergänzt. Stößt die Sonne elektrisch geladene Teilchen aus, spricht man von Sonnenwinden – oder eben von Weltraumwetter. Bei starken „Winden“, den sogenannten Koronalen Masseauswürfen (KMA), treffen Teile der Sonnenmaterie und Magnetfelder auf die Ionosphäre der Erde. Dies erzeugt Ströme in der Atmosphäre, die die Kommunikationsinfrastruktur stören und sogar zu Stromausfällen führen können. Das Institut soll die Schnittstelle zu relevanten Nutzergruppen bilden und frühzeitige Warnungen an gefährdete Infrastrukturen ausgeben.

Mit der Gründung des DLR-Instituts für Satellitengeodäsie und Inertialsensorik in Hannover baut das DLR Kompetenzen im Bereich anwendungsorientierter Sensorik für künftige Erdbeobachtungsmissionen und Navigationssysteme auf. Durch neuartige, hochgenaue Sensoren soll die weltraumgestützte Präzisionsvermessung der Erde weiterentwickelt werden.

In Ulm wird sich das neue DLR-Institut für Quantentechnologien mit robusten, anwendbaren Technologien aus der aktuellen Quantenwissenschaft beschäftigen und Schlüsseltechnologien für den Einsatz im Weltraum entwickeln. Dies beinhaltet Forschung an und Entwicklung von Instrumenten zur Messung von Ort, Zeit, Frequenz, Beschleunigung und Rotation sowie von Instrumenten für die Quantenkommunikation.

Ziel des am DLR-Standort Oberpfaffenhofen geplanten Galileo-Kompetenzzentrums (Galileo Competence Center) ist es, neue Konzepte und Technologien für die nächste Generation von globalen Navigationssystemen zu entwickeln. Dort werden Ideen im Labor getestet, zu Prototypen entwickelt und als sogenannte Technologiedemonstrationen validiert. Die Arbeit der Wissenschaftler soll dazu beitragen, das System Galileo gezielt weiterzuentwickeln und seinen Weg in neue Anwendungen zu ebnen.

Die NASA-Sonde InSight landete am 26. November 2018 sicher auf dem Mars. An Bord ist das DLR-Experiment HP3 (Heat Flow and Physical Properties Package) – der „Maulwurf“. Am 12. Februar 2019 wurde er mit einem Greifarm auf der Oberfläche abgesetzt. Derzeit werden schrittweise die Vorbereitungen für den Betrieb der Rammsonde durchgeführt. Am 23. Februar soll er beginnen, sich in den Marsboden zu hämmern, um in den nachfolgenden Wochen eine Tiefe von bis zu fünf Metern zu erreichen. Dabei wird das Instrument immer wieder in unterschiedlichen Tiefen Messungen vornehmen. Hauptziel des Experiments ist, den Wärmefluss unter der Oberfläche zu messen und daraus den thermischen Zustand des Marsinneren abzuleiten. Mithilfe der Daten wollen die Wissenschaftler Modelle der Entwicklung des Mars, seiner chemischen Zusammensetzung und seines inneren Aufbaus überprüfen, um so Schlüsse auf die frühe Entwicklung des Roten Planeten und auch der Erde ziehen zu können.

Für das DLR Raumfahrtmanagement in Bonn steht die ESA-Ministerratskonferenz (MK) Ende November 2019 in Sevilla im Fokus. Das Raumfahrtmanagement ist im Auftrag der Bundesregierung für die Steuerung der deutschen ESA-Beiträge verantwortlich. Bei der MK geht es um richtungsweisende Entscheidungen bei Themen wie Launchern, Exploration und den Anwendungsprogrammen. Außerdem soll die Arbeitsteilung zwischen der europäischen Weltraumorganisation ESA und der EU konkretisiert werden.

Darüber hinaus stehen für das Raumfahrtmanagement Anwendungs- und Transferthemen wie der Nutzen der Raumfahrt für den Breitbandausbau auf der Agenda. Die 6. Nationale Konferenz für Satellitenkommunikation am 14. und 15. Mai 2019 in Bonn beleuchtet dieses Thema intensiv. Weitere „Highlights“ sind die deutsch-russische Mission Spektrum-Röntgen-Gamma mit dem in Deutschland entwickelten und gebauten Röntgenteleskop eROSITA, das am 21. Juni auf der Suche nach der „Dunklen Energie“ ins All starten soll sowie die Fortsetzung der branchenübergreifenden Treffen, dieses Jahr mit dem Schwerpunkt „Raumfahrt und Medizin/Medizintechnik“.

Wärmespeicher als Schlüsseltechnologie der Energiewende

Mit seiner Energieforschung trägt das DLR mit innovativen Technologien zum Gelingen von Kohleausstieg und Energiewende bei. Im Fokus steht dabei die Gewinnung von Energie aus erneuerbaren Ressourcen, die Speicherung und schließlich bedarfsgerechte Bereitstellung von Energie für den Strom-, Wärme- und Mobilitätssektor.

Für die aktuellen Herausforderungen des Kohleausstiegs entwickelt das DLR ein Konzept, mit dem Kohlekraftwerke zu Speicherkraftwerken umgebaut werden können. Der Schlüssel ist dabei ein Wärmespeicher mit Flüssigsalz, in den aus erneuerbaren Energien gewonnener Strom in Form von Wärme zwischengespeichert und ganz nach Bedarf ohne CO2-Emissionen rückverstromt werden kann. Dieser ersetzt den bisherigen Kohlespeicher und Verbrennungsteil. Solche Speicherkraftwerke erhöhen Versorgungssicherheit und Netzstabilität, Arbeitsplätze für Kraftwerkspersonal und Zulieferindustrie vor Ort bleiben erhalten und Komponenten der bestehenden Kohlekraftwerke können weiter genutzt werden. Ein Pilotprojekt für das „Third Life“ von Kohlekraftwerken steht in den Startlöchern.

In diesem Jahr entsteht im Braunkohlerevier Lausitz ein neues DLR-Institut für CO2-arme Industrieprozesse mit Standorten in Cottbus und Zittau/Görlitz. Hier sollen künftig Hochtemperatur-Wärmepumpen entwickelt werden, die für die Umwandlung von Strom in Wärme in Großspeichern erforderlich sind und damit eine großtechnische Option zur Strom-Wärme-Kopplung darstellen. Für nicht-elektrifizierbare Industrieprozesse sollen neue Verfahren für geringere Emissionen sorgen.

Für die Stromerzeugung aus Sonnenergie nimmt das DLR 2019 eine neuartige Flüssigsalz-Parabolrinnen-Testanlage in Portugal in Betrieb. Mit gekrümmten Spiegeln wird die Solarstrahlung auf Absorber-Rohre konzentriert, in denen Flüssigsalz die Wärme speichert, mit der schließlich im Kraftwerk über Wasserdampf Strom erzeugt wird. Das Flüssigsalz ist gegenüber herkömmlichem Thermo-Öl besonders beständig auch bei hohen Temperaturen bis 560 Grad, was den Wirkungsgrad von Solarkraftwerken erhöht.

Das DLR hat seine Energieforschung um profunde Kompetenzen zu Fragen des Energiesystems ergänzt. Im Fokus steht die Herausforderung, trotz wetterabhängiger dezentraler Erzeugung stabile und effiziente Energiesysteme zu gestalten. Zur Unterstützung dieser Forschungen entsteht ein Labor für vernetzte Energiesysteme, mit dem die Verknüpfung verschiedener herkömmlicher und erneuerbarer Energiequellen mit verschiedenen Nutzern für Strom, Wärme und Mobilität zu einem stabilen Energienetz erprobt werden kann.

Die Zukunft des Verkehrs ist automatisiert und vernetzt

Digitalisierung ist eine wesentliche Schlüsseltechnologie, um die Mobilität von Menschen und Gütern sicherer, effizienter, komfortabler und umweltfreundlicher zu gestalten. Der Verkehr der Zukunft wird geprägt sein durch die Automatisierung von Verkehrsträgern und Infrastrukturen sowie von ihrer Vernetzung untereinander.

Mit dem Testfeld Niedersachsen baut das DLR eine Testumgebung für automatisiertes Fahren auf, im engen Schulterschluss mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft. Ein wesentlicher Baustein ist die Ausstattung eines Autobahnteilstücks mit Erfassungstechnik zur Beobachtung des Verkehrsgeschehens sowie mit Kommunikationstechnik zur Digitalisierung der Infrastruktur. Komplementär entstehen Simulationsumgebungen, sodass automatisierte Fahr-funktionen in allen Entwicklungsstadien konsequent entwickelt und getestet werden können. Das Testfeld Niedersachsen steht ab Ende 2019 zur Nutzung bereit.

Im BMWi-Projekt PEGASUS erarbeitet das DLR zusammen mit 17 Partnern Qualitätsmaße sowie entsprechende Prüfmechanismen, um die Sicherheit automatisierter Fahrfunktionen zu gewährleisten. PEGASUS liefert damit eine wichtige Grundlage zur Markteinführung automatisierter Fahrzeuge. Im Juni 2019 endet das Projekt mit einem Volumen von 34,5 Millionen Euro nach drei Jahren. Die Ergebnisse werden bei einer Abschlussveranstaltung mit Vorträgen und Fahrdemonstrationen vorgestellt.

Damit neue Technologien wie Automatisierung und Vernetzung als Teil von neuen Mobilitätskonzepten wirksam werden können, ist das Wissen über Mobilitätsverhalten grundlegend. Hier werden Szenarien identifiziert, in denen Automatisierung und Vernetzung sowie andere technologische und betriebliche Maßnahmen effektiv eingesetzt werden können. Noch vor der Einführung können auf diesem Wege denkbare Maßnahmen nach verschiedenen Kriterien bewertet werden, zum Beispiel hinsichtlich ihrer Umwelteffekte, ihrer Auswirkungen auf den Verkehrsfluss und hinsichtlich der Akzeptanz der Nutzer.

Mit dem MovingLab nimmt das DLR 2019 eine Forschungsinfrastruktur in Betrieb, mit der Daten freiwilliger Nutzer – statt wie bisher per Fragebogen – digital per Smartphone-App oder GPS-Logger erhoben werden. Über die Aufzeichnung von Bewegungsdaten werden die wesentlichen Merkmale von Wegen, wie die Start- und Endzeit, der genaue Routenverlauf und die etappengenaue Bestimmung des genutzten Verkehrsmittels automatisch bestimmt. Auf Grundlage dieser Daten können auch gänzlich neue Mobilitätskonzepte entwickelt werden, die dem Bedarf der Menschen entsprechen – auch unter Nutzung von Automatisierung und Vernetzung.

Gänzlich neue Mobilitätskonzepte unterstützt auch das modulare Fahrzeugkonzept MAUDE des DLR. Dabei handelt es sich um ein fahrerlos und elektrisch betriebenes neuartiges Vehikel. Es basiert im Kern auf der Trennung von Fahrmodul und Transportkapsel. Während das Fahrmodul Antrieb, Batterien und Steuerung enthält und nach einem abgeschlossenen Transportvorgang eine neue Transportkapsel aufnehmen und befördern kann, sollen unterschiedliche Kapseln für vielfältige Transportaufgaben im Personen- sowie Güterverkehr flexibel eingesetzt werden. In dieser Kombination funktioniert das System perspektivisch auf der Straße, der Schiene, unter einer Seilbahn und sogar per Lufttransport.

Sicherheit in Häfen und das Zukunftsthema KI

Im Projekt AIS-Plus der maritimen Sicherheitsforschung wird 2019 ein System zur verbesserten Positionsmeldung von Schiffen bei hoher Verkehrsdichte und schlechten Übertragungsbedingungen weiterentwickelt, um die Sicherheit auf See und besonders in Häfen zu erhöhen. Ziel ist ein vollständiges maritimes Lagebild durch die neue Technologie – „made/invented by DLR“. Dazu gehört unter anderem die Verwendung von Algorithmen der künstlichen Intelligenz (KI).

KI spielt auch in vielen weiteren Forschungsbereichen des DLR eine immer stärkere Rolle. In der satellitengestützten Erdbeobachtung wären die enormen Datenmengen der aktuellen und zukünftigen Missionen ohne die Anwendung von künstlicher Intelligenz nicht mehr sinnvoll zu verarbeiten. Zudem ergeben sich dadurch ganz neue Möglichkeiten in der Ableitung von wertvollen Informationen aus Satellitendaten, die mit klassischen Verfahren undenkbar wären. Auch für eine intelligente Vernetzung von automatisierten Fahrzeugen oder von Energiesystemen wird KI künftig immer wichtiger werden.

Ein Beispiel aus der Raumfahrt, das aber auch auf der Erde zum Einsatz kommen kann, ist der humanoide Roboter Agile Justin des DLR. Im Zentrum der KI-Forschung steht hierbei das Lernen als das Grundprinzip aller autonomen Systeme. Um selbständig eine Strategie für das Ausführen von Aufgaben zu entwickeln und entsprechend in einer komplexen Umgebungen zu agieren, werden Methoden des Deep Learnings sowie des Deep Reinforcements eingesetzt, bei dem Verhalten auf Basis von Erhalt oder Ausbleiben einer Belohnung gelernt wird.

Justins Grundfertigkeiten kommen der menschlichen Vielseitigkeit bereits nahe. So hat er verschiedene Aufgaben erfolgreich ausgeführt, etwa das geschickte „Aufbauen“ einer Gerüststruktur, das hochdynamische Fangen von zugeworfenen Bällen oder – sehr feinfühlig – das Erkennen eines Materials durch das Streichen über die Oberfläche mit dem Finger. Intelligente Roboter werden in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Weltraum- und Planetenexploration und auf der Erde beispielsweise für die Pflegeunterstützung von Personen im Alter oder mit körperlichen Beeinträchtigungen spielen.









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