Von außen ist es nur ein großer Industrie-Roboterarm mit einem Cockpit – doch wer als Pilot in diesem Simulator sitzt, fühlt sich wie im Flugzeug. Während der Pilot im Inneren steuert, werden diese Flugkommandos in Echtzeit in die entsprechenden Bewegungen des Roboterarms umgesetzt.
Köln – In Zukunft können mit dem weltweit ersten roboterbasierten Flugsimulator Piloten trainieren. Für die Entwicklung wurden jetzt zwei Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) gemeinsam mit ihren Kooperationspartnern Grenzebach Maschinenbau und KUKA mit dem euRobotics Technology Transfer Award ausgezeichnet. Der Preis wird jährlich an Projekte verliehen, die Forschungsergebnisse und kommerzielle Anwendung miteinander verbinden. Die beiden Ingenieure des DLR haben dafür unter anderem Dummys vielen Beschleunigungstests ausgesetzt, die Struktur der Anlage designt und sich mit der kniffligen Bahnplanung beschäftigt – alles, damit die Illusion eines Fluges perfekt ist.
Bisher werden Piloten vor ihren echten Trainingsflügen vor allem auf so genannten Hexapod-Systemen geschult und trainiert. Dabei sitzen die Flugschüler in einem Cockpit, das auf sechs beweglichen Achsen montiert ist. Der Nachteil: Das System ist mit Anschaffungskosten zwischen sieben und 25 Millionen Euro gerade für kleinere Flugschulen zu teuer. „Mit einem Simulator, der auf einem Industrieroboter aufbaut, könnten diese Kosten bei nur etwa einer Million Euro liegen“, erläutert DLR-Ingenieur Tobias Bellmann, der den Preis gemeinsam mit Johann Heindl vom DLR und Olaf Gühring von Grenzebach Maschinenbau erhielt.
Vom Auto bis zum Hubschrauber
Bereits seit 2004 forschen die Wissenschaftler des DLR-Zentrums für Robotik und Mechatronik an einem Simulator, der auf Industrierobotern basiert. 2010 gelang es, den Flug am Roboterarm interaktiv umzusetzen: Die Passagiere flogen nicht mehr lediglich vorgegebene Bahnen, sondern konnten ihre Kapsel selbst steuern. „Für uns bedeutet das, dass die Bewegungen des Roboterarms in Echtzeit, also extrem schnell berechnet werden müssen, weil sie nicht im Voraus geplant werden können“, sagt Bellmann. 2011 erhielt der Roboterarm dann eine neue Kuppel, in der man variabel die Instrumente im Inneren austauschen konnte: einen Flugezug-Steuerknüppel, ein Auto-Lenkrad oder eine Hubschraubersteuerung. Mit der Umrüstung der Kuppel wurde der Simulator für den Insassen mal zum Auto, mal zum Flugzeug und mal zum Hubschrauber – auch wenn Roboterarm und Kuppel dabei nur in der Halle des DLR in Oberpfaffenhofen standen.
Diese Forschungsergebnisse flossen nun in die Konstruktion des Grenzebach DA42-Simulator für das Pilotentraining ein. „Die Piloten können in diesem Simulator zum Beispiel kritische Situationen immer wieder neu trainieren“, betont Bellmann. „Das wäre auf Schulungsflugzeugen nicht nur aufwendig, sondern auch gefährlich.“ Vom simulierten Cockpit des Flugzeugtyps Diamond DA42 aus wird dem Piloten dabei – unabhängig von den Bewegungen des Roboterarms – immer exakt der Ausblick gezeigt, den er auch bei einem realen Flug hätte. Gleich mehrfach stellten erfahrene Piloten von verschiedenen Airlines und Flugzeugfirmen den Simulator auf die Probe. „Für uns war das ein sehr wichtiges Feedback, um die Simulation so real wie möglich umzusetzen.“ In naher Zukunft wird der Grenzebach DA42-Simulator auch bei den Luftfahrtbehörden als Level-D-Flugsimulator und somit als Flugsimulator mit dem höchsten Qualifizierungsniveau zertifiziert.
Dabei können die Piloten im roboterbasierten Simulator auch Erfahrungen machen, die ihnen im tatsächlichen Leben hoffentlich erspart bleiben. „Unser Simulator ermöglicht extreme Roll- und Nickbewegungen, weil für die Bewegungen des Roboterarms ein großer Raum zur Verfügung steht“, sagt DLR-Ingenieur Tobias Bellmann. Für Piloten bedeutet dies: Selbst ein Rückenflug, bei dem kopfüber geflogen wird, ist mühelos möglich.
Foto: Carstino Delmonte