Taiwan: Unterwegs auf den Spuren der Hakka


28 Dez. 2009 [10:24h]     Bookmark and Share


Taiwan: Unterwegs auf den Spuren der Hakka

Taiwan: Unterwegs auf den Spuren der Hakka


Ehrentitel „Alte Straße“: Nostalgische Touren im Nordwesten Taiwans

Frankfurt – In einem Land, in dem man dem Alter noch mit Respekt begegnet, ist auch „Alte Straße“ eine ehrwürdige Bezeichnung. Auf Taiwan handelt es sich dabei nämlich um liebevoll restaurierte Straßen mit historischen Gebäuden und viel Tradition, die jeden Nostalgiker ins Schwärmen bringen. Die Besucher Taiwans können sich hier ein Bild davon machen, wie es auf der „schönen Insel“ Ostasiens vor langer Zeit aussah. Ein Tagesausflug ab Taipeh wird so zu einer Reise in die faszinierende und vielen Europäern kaum bekannte Geschichte des Hakka-Volkes.

Vor dreißig oder vierzig Jahren verstand man auch auf Taiwan wie im Rest der Welt unter „alt“ häufig „veraltet“ und unter Fortschritt, dass man das Alte durch Neues und Modernes ersetzen musste – was zwar technischen Fortschritt und meist auch eine Verbesserung der Lebensqualität brachte, aber nicht immer einen ästhetischen Gewinn. Heutzutage geht man auf Taiwan einfühlsamer an notwendige Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen heran.

Asphaltierte Straßen erhalten wieder ihr Kopfsteinpflaster, und Häuserfassaden werden sorgfältig gereinigt und ausgebessert, möglichst im ursprünglichen Baustill. Dort, wo sie im Laufe der Jahre durch unkoordinierte Modernisierung verunstaltet wurden – etwa durch Leitungen, Wassertanks, Klimaanlagen oder Satellitenschüsseln – findet man Lösungen, die Technik zu verbergen, ohne dass die Bewohner der Häuser auf viele Annehmlichkeiten verzichten müssten.

Auszeichnung und Hinweis für Touristen: „Alte Straße“
Inzwischen gibt es in vielen Städten Taiwans Straßen, die den Namen „Alte Straße“ als Ehrentitel tragen. Nanjhuang und Beipu im nordwestlichen Binnenland besitzen recht bekannte „Alte Straßen“. Die beiden Kleinstädte liegen in den Landkreisen Miaoli bzw. Hsinchu, rund eine Autostunde südwestlich der Hauptstadt Taipeh. Dank ihrer abgeschiedenen Lage am Rande der Berge haben die beiden Städtchen viel von ihrem vorindustriellen Charme gewahrt. Zudem liegen sie in einer besonders reizvollen Umgebung. In der Nähe Nanjhuangs findet man zahlreicher Dörfer der Ureinwohner Taiwans sowie die historischen Tempel des Löwenkopfberges, und im Hinterland von Beipu, wie auch in der Stadt selbst, leben vorwiegend Hakka, eine der acht Volksgruppen der Han-Chinesen mit eigener Sprache und eigenen Sitten und Gebräuchen. Wer mit einem Mietauto unterwegs ist, kann beide Städte an einem Tag besichtigen, doch wer es sich leisten kann, sollte sich durchaus etwas mehr Zeit nehm
 en.

In Nanjhuang entdeckt man in der schmalen, ausschließlich Fußgängern vorbehaltenen Alten Straße viele Geschäfte und Restaurants, die auch für Touristen von Interesse sind. Am Südende der Straße, gegenüber dem Besucherinformationsbüro, kann man sich leicht im Geiste in vergangene Zeiten zurückversetzen lassen. Hier gibt es nämlich einen alten öffentlichen Waschplatz, an dem klares Bergwasser in eine große Wanne geleitet wird und unbehauene Steinplatten als Waschbretter dienen. Sogar heute noch nutzen einige Bewohner diese Einrichtung, um ihre Wäsche zu reinigen. Darüber befindet sich übrigens ein kleiner Schrein zu Ehren der Erdgottheit, die von den Bewohnern dieser Gegend Bogong genannt wird.

Am Nordende der Alten Straße gibt es zwei Sehenswürdigkeiten zu bestaunen: den Yongchang-Tempel, das größte Gotteshaus Nanjhuangs, und das über hundert Jahre alte Postamt, das vor einigen Jahren gründlich renoviert und in einen Kultursaal verwandelt wurde. Das eingeschossige Holzgebäude ist typisch für seine Entstehungszeit.

Eiscreme für Präsidenten und andere Besucher
Die meisten Gebäude an dieser Straße sind mehr als ein halbes Jahrhundert alt. Das erste Stockwerk besteht meist aus Beton, das zweite aus Holz, das in dieser baumreichen Region reichlich vorhanden ist. Einer der interessantesten Anlieger dürfte die Yongliang-Eiscremefabrik mit der Hausnummer 47 sein. Hier wird noch heute Eis am Stil wie vor fünfzig Jahren hergestellt, und sogar ehemalige Staatspräsidenten und Vizepräsidenten zählen zur Kundschaft, wie die Fotos an den Wänden beweisen.

Eiscreme dürfte allen Besuchern noch eine vertraute Leckerei sein, doch als Ausländer wird man sich über viele der Imbisse wundern, die entlang der Alten Straße feilgeboten werden. Sie sind meist nur chinesisch beschriftet, und auch die Händler verstehen nur selten eine europäische Sprache. Die einfachste Lösung heißt hier: Probieren geht über Studieren. Passanten bietet man nämlich meist kleine Häppchen zum Kosten an – ganz ohne Kaufverpflichtung. Aber auch auf dem kleinen Markt, der von sechs Uhr früh bis kurz nach Mittag geöffnet ist, kann man den Hunger stillen. In den beiden Restaurants dort gibt es sogar bis zum Abend leckere einheimische Hakka-Spezialitäten.

Wenn man über die Miaoli-Landstraße 124 aus Nanjhuang herausfährt, gelangt man bald nach Penglai und in das benachbarte Naturreservat, das reich an Fischen und Libellen ist. Der beste Monat, um die Glühwürmchen dort fliegen zu sehen, ist der April, während im August der Schmetterlingsflug seinen Höhepunkt erreicht.

„Erdebeerhauptstadt“ Taiwans
Hinter Penglai liegt eine atemberaubende Berglandschaft. Dort, wo die Landstraße auf die Provinzschnellstraße 3 trifft, kann man südwärts abbiegen, um Dahu, die „Erdebeerhauptstadt“ Taiwans zu erreichen. Fährt man auf der gleichen Straße nach Norden, gelangt man in das bereits erwähnte Beipu. Während der japanischen Besatzungszeit (1895-1945) wurde in dieser Gegend Kohle gefördert, und die Bergleute vergnügten sich nach ihrer harten Arbeit in den Kneipen der 1835 gegründeten Stadt, die noch viel vom Charme ihrer Gründerzeit bewahrt hat.

Um die Stadt zu Fuß zu erkunden, kann man am Citian-Tempel beginnen, einem einfachen Schrein, in dem unter anderem Gottheiten wie Guanyin, die buddhistische Göttin der Gnade, und die „Könige der drei Berge“ verehrt werden. Die Alte Straße von Beipu läuft direkt auf die Vorderseite des Tempels zu. Kein Gebäude gleicht hier dem anderen, jedes hat seinen eigenen Charakter, und man sieht ihm an, dass es eine abwechslungsreiche Geschichte durchlebt hat. Tatsächlich gibt es einige der Geschäfte und Restaurants in dieser Straße schon seit hundert Jahren und mehr – auch wenn der Besitzer der „Hundertjährigen Hakka-Küche“, einem Restaurant mit der Hausnummer 23, augenzwinkernd eingesteht, dass ihm eigentlich noch ein oder zwei Jahre fehlen, bis das Jahrhundert voll ist.

Die beeindruckendsten Privathäuser der Stadt findet man in der Miaoqian-Straße, was wörtlich übersetzt „Straße vor dem Tempel“ bedeutet. Am bekanntesten ist die Jinguangfu-Halle, die bereits 1835 als Verwaltungssitz gebaut wurde. Sie steht unter dem Denkmalschutz der höchsten Stufe – eine Ehre, die sie mit weniger als vierzig Baudenkmälern auf der gesamten Insel teilt. Zusammen mit zwei anderen sehenswerten Gebäuden – dem Tianshuitang und der Jiang-A-xin-Villa – ist sie noch immer im Besitz der Nachfahren des Stadtgründers, Jiang Xiu-luan (1783-1846).

Verblüffend einfache „Alarmanlagen“

Die Pioniere, die sich im 19. Jahrhundert in der Stadt ansiedelten, hatten sich übrigens eine interessante – und verblüffend einfache – „Alarmanlage“ ausgeda
cht, um sich vor unliebsamen Besuchern zu schützen: Die Straßen waren mit Steinplatten befestigt, von denen einige bewusst so lose verlegt waren, dass sie ein lautes Geräusch verursachten, sobald man sie betrat. Die Einheimischen wussten genau, welche Platten sie umgehen mussten, während sich Fremde, die sich heimlich in die Stadt schleichen wollten, früher oder später durch das Betreten einer solchen Platte verrieten. Doch keine Angst: Die von Unruhen und Auseinandersetzungen geprägten Pioniertage sind im „Wilden Osten“ ebenso vorbei wie im „Wilden Westen“ – heute sind friedliebende Besucher aus aller Welt in der Stadt herzlich willkommen.

Ein paar Minuten außerhalb von Beipu wartet noch eine weitere Attraktion: Im Unterschied zu den weit über hundert heißen Quellen auf Taiwan, in denen die Wassertemperatur meist um die 40 °C liegt, gibt es in hier eine kalte Quelle, deren Temperatur nur zwischen – im heißen Sommer durchaus angenehmen – 10 und 15 Grad schwankt. Sie soll bei Magenbeschwerden, Gelenkentzündungen und Gicht helfen. Der Weg zur sieben Kilometer entfernten Quelle in den Bergen ist von der Innenstadt aus in chinesischer und englischer Sprache ausgeschildert.

Für alle, die mehr als einen Tag in dieser schönen und sehenswerten Gegend verbringen möchten, empfiehlt sich die Übernachtung bei einer Gastfamilie, in einem sogenannten minsu. Hier hat man intensiven Kontakt zur einheimischen Bevölkerung und lernt die Besonderheiten der Hakka-Kultur noch besser kennen.

Foto: Carstino Delmonte/ Touristikpresse.net









  • Palma.guide