Lufthansa Datensammelwut scheitert beim Bundeskartellamt: Lufthansa muss Firmenverträge ändern


02 Jan 2013 [13:24h]     Bookmark and Share


Lufthansa Datensammelwut scheitert beim Bundeskartellamt: Lufthansa muss Firmenverträge ändern

Foto: Carstino Delmonte


Regelungen zur Datenweitergabe müssen geändert werden. Gier nach Kundendaten für größtmöglichen Profit scheint grenzenlos.

Frankfurt – Die Lufthansa darf zukünftig keine Klauseln mehr in Firmenverträgen verwenden, wonach eine Partnerfirma für ihre Mitarbeiter bestimmte günstige Konditionen nur dann bekommt, wenn sie der Lufthansa über Flugpreise und Anzahl der Flüge mit Konkurrenzunternehmen Informationen preisgeben.

Ein Geschäftsreise-Verband hat beim Bundeskartellamt den entscheidenden Erfolg erzielt: Die Deutsche Lufthansa muss bestehende und zukünftige Firmenverträge ändern. Bereits im Sommer 2010 hatte der Verband reagiert und rechtliche Bedenken in Bezug auf die Lufthansa-Rahmenvereinbarung für Firmenkunden gegenüber dem Bundeskartellamt geäußert. Jetzt muß sich etwas ändern: Das Kartellamt hat die so genannte Verpflichtungszusage bestätigt, mit der die Airline zusagt, fragliche Klauseln in den Verträgen zu entfernen.

Spezialtarif nur für Nähkästchen-Plauderer?

„Die Incentive-Verträge der Lufthansa sehen die Lieferung von Flugdaten von Mittbewerbern vor, also die Information, wann ein Unternehmen mit einer anderen Airline wohin geflogen ist“, erklärt Dirk Gerdom, Präsident des Verbandes VDR. „Das Bundeskartellamt hat dem VDR beigepflichtet und diese Vertragsbestandteile als sehr problematisch beurteilt.“ Auf diese Weise könne Lufthansa Einsicht in das Marktverhalten von Mitbewerbern erhalten und den sogenannten Geheimwettbewerb zwischen den Fluggesellschaften gefährden, so die Bundesbehörde.

Firmenkunden der Deutschen Lufthansa empfiehlt der VDR, sich gemeinsam mit ihren Rechtsabteilungen die Vereinbarungen anzusehen und sich mit der Lufthansa in Verbindung zu setzen, um bestehende Verträge zu ändern und bei künftigen Verhandlungen auf die entsprechenden Klauseln zu achten. 

„Im Namen unserer Mitglieder werden wir die Datenweitergabe in Verträgen weiterhin als eines unserer Fokus-Themen behandeln und es über alle uns zur Verfügung stehenden Banden spielen, um für Aufklärung zu sorgen“, sagt Vizepräsident Ralph Rettig.

Andere Situation bei Privatkunden

Für Privatleute, die ihre Tickets bei einer Airline je nach Bedarf individuell buchen und auch für Firmen, die keinen Vertrag über Mengenabnahme mit Lufthansa schließen, hat das Urteil zunächst keine Auswirkungen. Zwar liegt es auf der Hand, dass eine Fluglinie gerne wüßte, was ihre Konkurrenzunternehmen einem potentiellen Kunden für Angebote macht und wie oft der Kunde fliegt, um selbst attraktiver anzubieten. In der Praxis geht das jedoch aus verschiedenen Gründen – insbesondere aus Datenschutzgründen – noch nicht.

Dennoch bald nur noch Individualpreise für jeden Einzelnen?

Allerdings gibt es einen Vorstoß des Airline-Verbandes IATA wonach in Zukunft jedem einzelnen, anfragenden Kunden bei Fluglinien ein ganz individueller Preis für Flüge mit den unterschiedlichsten Zusatzleistungen wie Gepäckaufgabe, Sitzplatzabstand, Mahlzeiten oder Getränke an Bord offeriert werden könnten. Schon heute sind die einzelnen Leistungen fürs Fliegen und drimherum bei den verschiedenen Fluglinien nur noch schwer durchschaubar.

Vergleichbar wäre eine solche Situation mit einem Kunden, der mit seiner RFID-Kundenkarte einen Supermarkt betritt und der dort auf allen digitalen Preisschildern im Umkreis von einigen Metern nur die Preise an den Produktregalen sieht, die ein Zentralcomputer gesteuert durch den Kartenchip aufgrund seines bisherigen Konsumverhaltens in diesem Moment auf den Preisschildern anzeigt. Dabei ist zunächst offen, ob derartige Hightec-Methoden, die technisch schon problemlos machbar sind, sich zum Vor- oder zum Nachteil des Kunden herausstellen würden.

Schon heute unterschiedliche Preise je nach Auslastung und Termin

Experimentiert wird mit solchen „Finetunig“-Methoden allerdings auch bei Fluglinien schon lange. Und das nicht nur dort. Bereits heute werden Preise je nach Buchungslage ständig überprüft und entsprechend auch dem Kunden bei der Suche je nach Abfragezeitpunkt unterschiedlich angezeigt. Im Gegensatz zu den bisherigen und durch das Bundeskartell-Urteil nun monierten Firmenverträgen werden dazu allerdings nicht – zumindest nicht offenkundig – die Daten des einzelnen Kunden verwendet. Die Daten zu Reisegewohnheiten jedes einzelnen Kunden werden jedoch erkennbar in Zukunft immer größere Bedeutung haben. Je mehr und präzisere Daten ein Unternehmen vom Konsumverhalten seiner Kunden hat, umso wertvoller für das Unternehmen und seine Gewinnspannenberechnung. Fluglinien stellen in der Reisebranche diesbezüglich keine Ausnahme dar. Denn auch in der Hotellerie, im Bahn- und Busverkehr sowie in allen anderen Reisebereichen werden die Meßmethoden feiner und die Gier nach Kundendaten immer größer. Exzellent zum Datensammeln sind besonders Punktesammelkarten und ähnliche Mitgliedschaften. Denn dabei gibt jeder Verbraucher sein Konsumverhalten sehr weitreichend gerne selbst preis – auch ohne spezielle Firmenverträge und einfach über die AGB./ CAD

Foto: Streckt die Nase ganz nah an den Kunden – Lufthansa muß bei Firmenkundenverträgen weniger neugierig sein / Bild: Edgar Delmont









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