Das Bekanntwerden der US-Subprimekrise und ihre ersten Folgen u.a. bei deutschen Banken im August letzten Jahres führte zu massiven Verunsicherungen und vielfältigen Mutmaßungen hinsichtlich der weiteren Auswirkungen auf den deutschen Investmentmarkt.
Mark Aengevelt (23), Sohn von Dr. Wulff Aengevelt, geschäftsführender Gesellschafter der AENGEVELT IMMOBILIEN GmbH & Co. KG, hat dies zum Thema seiner Bachelor-Arbeit an der International School of Management, Dortmund, gemacht und hierbei eine breit angelegte Online-Umfrage mit zahlreichen interessanten Erkenntnissen durchgeführt.
Da aus seiner Sicht für die umfassende Analyse der Dialog mit möglichst vielen marktrelevanten Entscheidungsträgern unterschiedlicher in‐ und ausländischer Anlegerkreise unerlässlich ist, hat Mark Aengevelt im Rahmen seiner Bachelor-Arbeit „(Erste) Auswirkungen der US-Finanzkrise auf den deutschen Immobilieninvestmentmarkt“ neben zahlreichen Interviews eine Online-Umfrage unter rd. 1.000 am Immobilienmarkt teilnehmenden nationalen und internationalen institutionellen wie privaten Investoren, Projektentwicklern, Asset Managern und Finanzierern durchgeführt.
Insgesamt nahmen 82, also rd. 8% der per e-mail angesprochenen Zielpersonen an der Umfrage teil. Hiervon waren:
- institutionelle Investoren: 21 (26%)
- Privatinvestoren: 35 (43%)
- Projektentwickler: 11 (13%)
- Asset Manager: 12 (15%)
- Finanzierer: 03 (04%)
„Umfang und Struktur der Teilnehmer bilden repräsentativ den Markt ab“, freut sich Mark Aengevelt über den hohen Rücklauf und ergänzt: „Damit bieten die Antworten interessante Rückschlüsse hinsichtlich der krisenbedingten Veränderungen in der Anlagepolitik der Marktteilnehmer.“
So beantworteten 43% der Teilnehmer die Frage, ob die Subprime‐Krise Veränderungen in ihrem Anlageverhalten hervorgerufen hat, mit JA, 55% mit NEIN.
Hierbei stellt Mark Aengevelt signifikante Differenzierungen nach Anlegergruppe fest: „Während bei den Privatinvestoren 54% die Frage bejahten, stellt sich die Veränderungsquote bei den institutionellen Investoren auf 42“. Dies lässt nach seiner Ansicht den Rückschluss zu, dass die erheblich größere Objektvolumina bewegenden institutionellen Anleger vergleichsweise gelassener auf die Auswirkungen der Krise reagieren als die weniger häufig und geringere Volumina kontrahierenden Privatanleger.
Investment‐Orientierung
- Ihre Investment‐Orientierung für die nächsten zwölf Monate beschreiben 46% der Teilnehmer als „werthaltig bzw. sicherheitsorientiert“. Dieses Ergebnis wird bestätigt durch den Rückgang des Transaktionsvolumens am deutschen Investmentmarkt im ersten Quartal 2008 um schätzungsweise rund ein Viertel gegenüber dem Rekordwert des Vorjahreszeitraums.
- Rd. 33% bezeichnen ihr kriseninduziertes Investitionsverhalten der nächsten 12 Monate in Erwartung konsolidierungsbedingt steigender Renditen als „renditeorientiert“. Tatsächlich reduzierten sich die Kaufpreisfaktoren im Jahresvergleich bislang um durchschnittlich eine Jahreskaltmiete. Gleichzeitig ist z.Z. noch eine Zurückhaltung potentieller Verkäuferkreise zu beobachten, da viele Bestandshalter zumindest mittelfristig wieder eine anziehende Preisentwicklung erwarten. Gestützt wird diese Einstellung nicht zuletzt durch die vor allem preistreibende Energiekostenexplosion und die hierdurch auf rund drei Prozent gestiegene Inflationsrate.
- Endgültig vorbei ist in jedem Fall die transaktionsintensive Zeit immobiliendesorientierter leverage‐Investoren. Dies bestätigen rd. 21% der Teilnehmer, die ihre zukünftigen Investitionen als „chancen‐ und wertschöpfungsorientiert“ charakterisieren. Für sie stehen Zug um Zug mit dem Erwerb potenzialreicher Liegenschaften Leerstandsmanagement, Realisierung von Mietreserven und Objektertüchtigungen im Vordergrund.
Die Frage zur Größe zukünftiger eigener Transaktionsvolumina beantworteten 24 Investoren. Mehr als die Hälfte davon (54%) gab hier als Auswirkung der Subprimekrise für sich zukünftig geringere Transaktionsvolumina an, 29% gingen indessen von größeren Volumina aus.
Anlageschwerpunkte nach Asset-Klassen und geographisch
- Bei der Frage nach ihren Anlageschwerpunkten nach Asset-Klassen (Mehrfachnennungen möglich) wurde das Segment „Wohnen“ von 45 Teilnehmern (55%) und damit am häufigsten genannt, gefolgt von Büroinvestments (39 Nennungen bzw. 48%) und dem Einzelhandelsbereich (38 Nennungen bzw. 46%).
- Bemerkenswert ist hierbei nach Ansicht von Mark Aengevelt, dass auch aus der nicht unbedingt als wohnaffin bekannten Gruppe der institutionellen Anleger nunmehr rd. 43% auch Wohninvestments als einen ihrer Anlageschwerpunkte angeben.
- Mit deutlichem Abstand folgen die Asset-Klassen „Logistik“ (19%) und „Hotels“ (16%).
- Auf die Frage nach ihrem Engagement am Investmentstandort Deutschland antworteten 22% aller Teilnehmer. 61% hiervon gaben an, krisenbedingt verstärkt in Deutschland kaufen zu wollen; 22% wollten ihr hiesiges Engagement reduzieren.
Diese Befragungsergebnisse unterstützen die von Mark Aengevelt erarbeitete These, dass zwar das Gesamttransaktionsvolumen auf dem deutschen Immobilieninvestmentmarkt 2008 nicht die Rekordmarken der beiden Vorjahre erreichen wird, der Markt indessen durch seine solide und stabile Entwicklung sowie die zu erwartenden steigenden Renditen und die Wertschöpfungspotenziale angesichts rückkehrender Großanleger durchaus auch 2008 bis 2010 im internationalen Vergleich zu den Top‐Investitionsstandorten zählen wird.
Das wird auch durch die Teilnehmer gestützt, deren Renditeerwartung sich durch die Subprime‐Krise verändert hat:
- 54% der 28 Investoren, die ihre Erwartungen präzisierten, gehen von steigenden Renditen aus, während 25% eine vergleichbare, also stabile Rendite zu 2007 erwarten und 21% sogar sinkende Renditen sehen.
Fremdfinanzierung
Ein weiterer Fragenkomplex behandelte außerdem das Thema „Fremdfinanzierungen“ z.B. hinsichtlich geforderter Eigenkapitalquoten und veränderter Anforderungen der kreditgebenden Banken.
- So wurde z.B. danach gefragt, ob und wie sich die geforderte Eigenkapitalquote vor und nach August 2007 verändert hat. Hierzu machten 35 Teilnehmer (43%) detaillierte Angaben. Danach erhöhte sich die mittlere geforderte Eigenkapitalquote deutlich von durchschnittlich 17% auf 29%.
- Differenziert nach Investorengruppen ergaben sich dabei markante Unterschiede: Während institutionelle Investoren für die durchschnittlich geforderte Eigenkapitalquote „nur“ einen Anstieg von 20% auf rd. 29% angaben, nannten Privatanleger hier 34% gegenüber vorher 23%.
- Interessant: die drei an der Umfrage teilnehmenden Finanzierer gaben hinsichtlich der von ihnen geforderten Quoten eine Erhöhung von durchschnittlich 10% auf 30% an.
Zu weiteren Veränderungen des Anforderungsprofils der Kreditbanken befragt, wurde bestätigt, was sich zuvor schon in den von Mark Aengevelt geführten Interviews mit einzelnen Investoren herauskristallisiert hatte:
- Gegenüber der hektischen Phase vor Platzen der Immobilienblase in den USA sind die von den kreditgebenden Banken geforderten Prüfungsunterlagen nach Angabe von 22 Investoren (27%) mittlerweile deutlich detailbezogener, d.h. Kreditnehmer müssen noch wesentlich genauere und umfangreichere Objektdokumentationen erstellen. Dazu Mark Aengevelt: „Dieses Ergebnis bestätigt, dass Banken nicht – wie in der Vergangenheit zumindest teilweise geschehen – Kredit- und Fremdfinanzierungsanfragen „einfach durchwinken“, sondern ihre Prüfungs- und Vergabekriterien detailliert haben und nun intensivere und auch zeitaufwendigere Untersuchungen anstellen, bevor ein Kreditantrag bei wesentlich höherem Eigenkapitaleinsatz die Zusage erhält.“
- Bestätigt wird seine Vermutung hinsichtlich des größeren Zeitaufwandes von mehr als der Hälfte als Umfrage-Teilnehmer (42 bzw. 51%), die als weitere krisenbedingte Veränderung längere Bearbeitungszeiten seitens der kreditgebenden Banken nannten.
Fazit:
Mark Aengevelt beleuchtet in seiner Bachelor-Arbeit zunächst die Entstehung und die zahlreichen Ursachen der Immobilienblase im US-Häuserrmarkt und den Entwicklungsprozess zur US‐Hypothekenmarktkrise. Er analysiert alsdann die komplexen Wirkungsmechanismen, die aus einer zunächst reinen US‐Branchenkrise binnen kurzer Zeit die weltweit größte Finanzkrise der letzten 50 Jahre entstehen ließen.
Er untersucht dann die erheblichen Auswirkungen der im US-Häusermarkt entstandenen Subprime-Krise auf den deutschen Immobilieninvestmentmarkt. Hierbei belegt die Arbeit indessen plausibel, dass es sich bei der Krise mit all ihren komplexen Konsequenzen keineswegs um eine Krise der (deutschen) Immobilie handelt. Nicht die Immobilie oder der Immobilienmarkt sind die Krisenauslöser, sondern die zur schnellen globalen Refinanzierung ins internationale Banken- und Finanzsystem US- kreierten strukturierten künstlichen Finanzprodukte und deren seitens der Abnehmer durchgängig völlig unzureichenden Risikoanalyse.
Die Arbeit zeigt zudem auf, dass die Subprime‐Krise gleich zwei Lehren als Schlussfolgerungen zulässt:
- Zum einen die Warnung an Investoren, dass mangelhafte Transparenz eines künstlichen Finanzproduktes nicht ignoriert werden darf, sondern immobilienrelevant bewertet werden muss.
- Zum anderen, dass Immobilien neben Chancen auch spezifische Risiken ausweisen und dass Immobilienwerte nicht per Naturgesetz steigen und folglich eine Investition in Immobilien oder/und hypothekenbasierte Finanzprodukte alle spezifischen Risiken berücksichtigen muss.
Fest steht, dass sich krisenbedingt auch am deutschen Immobilienin-vestmentmarkt große Veränderungen ergeben, wie die von Mark Aengevelt geführten Interviews und die online-Umfrage eindeutig belegen. Hierzu zählen:
- Immobiliendesinteressierte, rein lerverage‐gesteuerte Investoren, die in den Jahren 2006 und 2007 auch in Deutschland zu den aktivsten und größten Anlegern zählten, fallen weg. Dies führt dazu, nach zwei Rekordjahren zu rückläufigen Marktvolumina in 2008 und 2009.
- Im Zuge dieses Konsolidierungsprozesses sind 9‐ oder gar 10‐stellige Mammuttransaktionen nur noch selten auf der Tagesordnung. Vielmehr führen erhöhte Eigenkapitalquoten dazu, dass Großpakete in kleinere Portfoliogrößen aufgeteilt werden.
- Bei Banken und Investoren laufen als Lehre aus der Krise zudem die erforderlichen due diligence‐Prozesse erheblich subtiler. Damit rücken auch die Immobilie und lokaler, marktgeprägter Immobiliensachverstand wieder in den Fokus. Statt den cashflow der Liegenschaft hinsichtlich Erwerb und Exit unter differenzierten Annahmen des „financial engineering“ immobilien- und damit realitäsfremd zu betrachten, bewirkt die Finanzkrise in ihren komplexen Auswirkungen eine Rückbesinnung auf die klassischen immobilienökonomischen Beurteilungskriterien.
- Die Finanzkrise lässt zudem die in den jüngsten zwei bis drei Jahren am Binnenmarkt weitestgehend inaktiven institutionellen inländischen Anleger zurückkehren. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt verfügt diese Investorengruppe über eine Transaktionskasse von mehr als 30 Mrd. Euro, Tendenz zunehmend. Hierdurch wird die bodenlose Krisenvertiefung am deutschen Investmentmarkt vermieden.
- Die für alle Assetklassen in den beiden jüngsten Rekordjahren beständig rückläufigen Renditen ziehen wieder an. Hierdurch bleibt der von stabilen Rahmenbedingungen profitierende deutsche Immobilieninvestmentmarkt im Fokus in‐ und ausländischer Anleger.