Deutsche Seite ist beim Ausbau „beschämend langsam“
Berlin – Anlässlich der feierlichen Inbetriebnahme der sanierten Neißebrücke zwischen dem sächsischen Görlitz und dem polnischen Zgorzelec durch die Polnischen Staatsbahnen (PKP-PLK) hat die Allianz pro Schiene darauf hingewiesen, dass die Fertigstellung internationaler Schienenstrecken auf deutscher Seite „leider allzu häufig beschämend langsam“ vorankomme. „Bei grenzüberschreitenden Verbindungen diktiert in Deutschland immer noch eine dramatische Unterfinanzierung den Fahrplan“, sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, am Dienstag in Berlin. Flege verwies auf eine aktuelle Unterrichtung durch die Bundesregierung, die „Projektfortschritte beim Ausbau der grenzüberschreitenden Schienenverkehrsachsen“ tabellarisch aufführt. „Obwohl in dieser Liste Projekte stehen, deren Bedeutung seit Jahrzehnten unstrittig ist, sieht sich der Bund nicht in der Lage, ein Datum für die Fertigstellung anzugeben“, kritisierte Flege. „Selbst wenn Deutschland bereits Verträge unterschrieben hat und damit internationale Verpflichtungen eingegangen ist, suchen wir in der Liste der Bundesregierung meist vergeblich nach einem verbindlichen Zeitpunkt für die Fertigstellung.“
Als Beispiel nannte Flege den Ausbau der Güterverkehrsstrecke Karlsruhe – Basel. „Hier gibt es extreme Verzögerungen und kein Datum für die Fertigstellung, obwohl auf Schweizer Seite der neue Gotthard Tunnel Ende 2016 eröffnet werden soll.“ Ein weiteres Trauerspiel für den europäischen Schienengüterverkehr sei der Ausbau der Strecke Emmerich – Oberhausen, der Anschluss an die niederländische Betuwe-Linie, für die der Bund unter der Rubrik „angestrebte Fertigstellung“ das Jahr 2023 angegeben habe. „Unsere Nachbarn haben ihre Hausaufgaben längst gemacht: Die Holländer sind seit 2007 fertig“, sagte der Allianz pro Schiene-Geschäftsführer. „Das Transitland Deutschland hinkt im internationalen Vergleich hinterher. Es ist skandalös.“
Nur ein kleines Projekt auf der langen Liste könne mit einem Haken versehen werden: Für einen kurzen Streckenabschnitt zwischen Trier und Luxemburg strebe der Bund die Fertigstellung bis Ende 2014 an, sagte Flege und erinnerte daran, dass die neue Bundesregierung in ihrer Koalitionsvereinbarung ein „erhöhtes Investitionsniveau“ beim Neu- und Ausbau der Schieneninfrastruktur angekündigt habe. „Wir werden Schwarz-Rot an diese begrüßenswerte Ankündigung erinnern“, sagte Flege. Im internationalen Vergleich sei eine Aufstockung der Schienenmittel überfällig. „Um Güter von der Straße auf die Schiene zu verlagern, investieren unsere europäischen Nachbarn pro Kopf und Bürger deutlich mehr in ihre Netze als Deutschland“, sagte Flege. „Mit 51 Euro pro Jahr und Bürger für das Schienennetz liegt Deutschland abgeschlagen hinter fast allen großen europäischen Wirtschaftsnationen.“
Um die langen Bauzeiten bei Schienenverbindungen zu verkürzen, sei es wünschenswert, einmal angefangene Projekte gleich resolut durch zu finanzieren. „Die aktuelle Liste spiegelt leider die gängige Praxis wider: Es fehlt insgesamt an Geld, deshalb werden Projekte in Häppchen aufgeteilt. So dauert die Fertigstellung ewig, und der Bau wird immer teurer.“
Foto: Carstino Delmonte