IBM Automotive Studie 2020: veränderte Prioritäten verlangen nach neuen Strategien


12 Sep 2008 [10:11h]     Bookmark and Share



Bis 2020 werden sich die externen Einflussfaktoren auf die Branche grundlegend verändern: An der Spitze der Prioritätenskala liegen dann der technologische Fortschritt, die Themen Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility (CSR) sowie die individuelle Mobilität der Menschen.

Das heute noch vorherrschende Thema Globalisierung tritt dagegen in den Hintergrund. Damit einhergehend verändern sich die Kundenansprüche: An erster Stelle stehen niedriger Kraftstoffverbrauch sowie ein möglichst „grünes“ Auto, wichtiger werden auch individuelle Angebote für die persönliche Mobilität sowie intelligente Fahrzeuge mit umfassenden Informationsdiensten und Services. Zu diesem Fazit gelangt IBM in ihrer aktuellen Studie „Automotive 2020“, bei der 125 weltweit führende Automobilunternehmen aus 15 Ländern befragt wurden. Um diesen Anforderungen in Zukunft gerecht zu werden, hat IBM Handlungsempfehlungen für die Automobilindustrie definiert. Dazu gehören unter anderem die Entwicklung neuer Mobilitätskonzepte, eine stärkere globale Integration der Unternehmen sowie mehr und engere Partnerschaften mit Zulieferern, Händlern und Firmen außerhalb der Branche. Darüber hinaus sollte die Industrie ein höheres Augenmerk darauf richten, gut ausgebildete Fachkräfte und Top Talente in ihren Firmen zu beschäftigen sowie die fachliche Entwicklung ihrer weltweiten Belegschaft zu fördern

Die Kriterien für den Kauf und den Umgang mit einem Auto haben sich in jüngster Zeit extrem verändert und werden dies laut IBM Studie auch weiterhin tun: Umweltfreundlichkeit und Kraftstoffverbrauch sind entscheidend, dann folgen die allgemeine Entwicklung des Verkehrs, Sicherheit, alternative Mobilitäts-Varianten sowie neue Finanzierungsmodelle. Im Umkehrschluss bedeutet das: Der neue Kundentypus ist insgesamt anspruchsvoller, er erwartet neben überzeugenden Lösungen für die beiden erstgenannten Kriterien darüber hinaus individuell zugeschnittene Mobilitätslösungen sowie noch mehr aktive und passive Sicherheit. Diese veränderten Anforderungen verlangen nach neuen Wegen in Entwicklung, Produktion, Vertrieb und Service und der Finanzierung.

Insgesamt hat sich die Rangfolge der Prioritäten für die befragten Unternehmensführer stark verschoben: der technologische Fortschritt wird nach ihrer Ansicht mit 61 Prozent im Jahr 2020 die höchste Priorität haben, dicht gefolgt von der Sorge um die Nachhaltigkeit (60 Prozent), die gegenwärtig nur mit 35 Prozent bewertet wird. Stark steigend sind auch die Themen Corporate Responsibility (31 Prozent versus 14 Prozent heute) und individuelle Mobilität (22 Prozent versus 11 Prozent heute). Das Thema Globalisierung hingegen ist 2020 nur noch auf einem hinteren Platz zu finden (55 Prozent heute versus 32 Prozent in 2020). 

Laut IBM Studie, bei der 125 weltweit führende Autohersteller und Zulieferer aus 15 Ländern befragt wurden, werden in Zukunft flexible Mobilitäts-Angebote einschließlich neuer Finanzierungsmodelle den klassischen Autokauf ergänzen. Mit anderen Worten: Autos werden (in bestimmten Segmenten) je nach aktuellem Bedarf ausgewählt und nicht mehr unbedingt permanent erworben: So steht zum Beispiel unter der Woche ein kleines, kraftstoffsparendes Auto vor der Tür, am Wochenende ist dann für den Skiausflug ein Kombi oder eine Limousine für die Hochzeit angesagt. Hinzu kommt: Neue Finanzierungsmodelle werden vor allem beim Voll-Hybrid wichtig. Denn Batterien sind teuer und leben länger als ein Auto, etwa 15 bis 20 Jahre. In der Folge werden Batterien dann wohl eher gemietet.

Das intelligente Fahrzeug

Die Autofahrer von heute und morgen wünschen sich mehr Information und Unterhaltung im Auto. Gleichzeitig soll das Fahrzeug sicher, sparsam und sauber sein. Das kurbelt die Entwicklung von intelligenten Fahrzeugen an – also Autos und Lkws, die mit noch mehr Elektronik und Software ausgestattet sind. Im intelligenten Auto der Zukunft spielen Fahrzeugsicherheit, Fahrerassistenz-Systeme und erweitere Services eine zentrale Rolle. Dazu gehören dynamische Navigationssysteme und Informationsdienste, die Auskunft über das Auto selbst und seine Umgebung geben können. Technologien wie etwa erweiterte Telematik-Dienste nehmen daher laut Studie bis zum Jahr 2020 weiter zu. Außerdem werden durch permanenten Netzzugang Audio- und Video-Downloads, Web-Radio und -TV verfügbar sein.

Die Autofahrer werden in Zukunft auch von der Vernetzung ihrer Fahrzeuge mit anderen Fahrzeugen und von einer verbesserten Straßen-Infrastruktur profitieren. Informationen über einen aktuellen Unfall können so zum Beispiel von einem Auto zum anderen übertragen werden. Aktive Sicherheitsfeatures tragen außerdem dazu bei, Unfälle zu reduzieren.

„Mobilität wird ein neues Gesicht bekommen“, sagt Gerhard Baum (Vice President Automotive) bei IBM. „Immer mehr Autofahrer werden ihr eigenes Verhalten dank umfassender Vernetzung noch stärker der jeweiligen Verkehrssituation anpassen können. Neue Services werden entstehen, die zum integralen Bestand des ‚Lifestyles’ eines Kunden werden können“.  

Der Hybridantrieb kommt in Fahrt

Beim Thema Antrieb stehen die Hybrid- und Batterietechnologie oben auf der Agenda. Micro-, Mild- und Full-Hybride sind im Fokus der Automobilhersteller. Dabei gehen praktisch alle Befragten davon aus, dass bis 2020 alle Neuwagen zu einem gewissen Grad über einen Hybridantrieb verfügen werden.

Fahrzeuge mit Wasserstoff-Brennstoffzellen bleiben nach wie vor eine mögliche Antriebsalternative. Jedoch wird hier laut Prognosen bis 2020 lediglich eine überschaubar große Fahrzeugproduktion mit dieser Technologie an den Start gehen. Grund hierfür sind die vergleichsweise kostenintensiven Produktionsprozesse und die dafür notwendigen neuen Infrastrukturen. Auch in Bio-Kraftstoffe wird weiter investiert werden, aber sie spielen langfristig keine dominante Rolle.

Insgesamt wird der Druck auf die Automobilbauer in Bezug auf  Kraftstoffverbrauch, CO2-Ausstoß und Recycling-Fähigkeit sehr hoch bleiben. Wobei Stand heute nicht davon auszugehen ist, dass diese hohen Erwartungen von der Automobindustrie auch erfüllt werden können. Hier stellt sich die Frage nach zusätzlichen Anstrengungen, um den hohen Erwartungen zu entsprechen.

Eine „multiplexe“ Belegschaft  

Der Begriff einer multiplexen Belegschaft ist angelehnt an den Multiplexer, ein elektronisches Bauteil, das Signale unterschiedlicher Sender über ein einzelnes Kabel transportiert. Eine multiplexe Belegschaft oder Workforce kombiniert in diesem Sinne unterschiedliche Fähigkeiten mit unterschiedlichen Erfahrungen in unterschiedlichen Kulturen und vereint diese, um Ziele gemeinsam zu erreichen. Die Beobachtung der IBM: Erfolgreiche Unternehmen aus der Branche legen einen höheren Wert auf eine gut ausgebildete Belegschaft und sind ständig darum bemüht, die besten Talente für sich zu gewinnen. Dementsprechend hoch bewerten die Befragten das „Building Leadership Talent“: 48 Prozent erachteten es als überaus wichtig.  

„Obwohl in der Studie das Thema „Global Labor Workforce“, also die globale Leistungsfähigkeit der Belegschaft in der Prioritätenliste sehr weit unten steht, darf ihre Bedeutung keinesfalls vernachlässigt werden“, so Gerhard Baum. „Dabei zeigt unsere Studie recht deutlich, wie stark der Einfluss dieses Faktors auf die Leistungsfähigkeit der Unternehmen ist.“

Fünf Handlungsempfehlungen für die Automobilindustrie
In Anbetracht dieser dynamischen Entwicklungen hat IBM fünf Handlungsempfehlungen definiert, die zur Wettbewerbsfähigkeit der Automobilhersteller entscheidend beitragen können.

  1. Mobilität erhöhen: Automobilunternehmen werden neue Mobilitätslösungen entwickeln. Dazu zählen neue Benutzerformen und die Integration neuer Mobilitätskonzepte. Bei Ankunft mit dem Zug wird zum Beispiel am Bahnhof bereits ein Fahrzeug für die Weiterfahrt bereitstehen, das dann – basierend auf der aktuellen Verkehrslage – Empfehlungen für den Streckenverlauf gibt.
  2. Den Vertrieb modernisieren: Automobilunternehmen und Händler werden neue Wege finden, um den Kontakt mit ihren anspruchsvollen Kunden zu halten und neuen Mehrwert für Händler zu schaffen.
  3. Die Komplexität verringern und gleichzeitig mehr Funktionalität bieten. IBM empfiehlt Autoherstellern, hierfür Architekturen, einheitliche Prozesse und Standards zu verwenden, damit Innovationen schneller integriert werden können.
  4. Partnerschaften intensivieren: Unternehmen werden ihre Netzwerke ausbauen und Partnerschaften eingehen, die über die klassischen Zuliefererbeziehungen hinausgehen. Eine enge Zusammenarbeit mit anderen Branchen – vor allem der  Elektronik-, Energie- und Versorgungsindustrie – werden kommen.
  5. Global arbeiten und handeln: Autohersteller und Zulieferer werden flexible Geschäftsprozesse und Infrastrukturen entwickeln, um die Arbeit entsprechend den Fähigkeiten und den Preis/Leistungskriterien global zu verteilen und zu integrieren. Und: Wo auch immer agiert wird, werden die gesellschaftlichen Regeln und die sozialen Belange zu berücksichtigen sein.

Über die Studie
Die IBM Studie „Automotive 2020: Clarity Beyond the Chaos“ wurde vom IBM Institute for Business Value durchgeführt. Die Ergebnisse der Studie basieren auf Gesprächen, die IBM 2008 mit 125 Geschäftsführern aus 15 Ländern geführt hat – darunter Vertreter von Automobilherstellern und Automobilzulieferern. 27 Prozent der Befragten kommen aus aufstrebenden Autoländern wie Brasilien, Russland, Indien und China (BRIC).
85 Prozent der Befragten gehören zu den weltweiten, umsatzstärksten Top-Automobilherstellern, dazu zählen auch die Top 10 der Automobilindustrie weltweit.
62 Prozent der Befragten sind OEMs und Zulieferer. Die restlichen Interviews wurden mit Wirtschaftsverbänden, Regierungsfunktionen, Interessenverbänden, wissenschaftlichen Institutionen und anderen Einrichtungen geführt.

Die Studie steht unter ibm.com/de/pressroom/downloads/auto2020.pdf zum Download bereit.









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