Vor nicht allzu langer Zeit waren Satellitenbilder noch eine hochsensible Angelegenheit. Google Earth macht nun auch aus jedem Normalverbraucher einen potenziellen Überflieger. Die Allianz nutzt die Software fürs Risikomanagement.
„Ein schwerer Wirbelsturm über Houston wäre derzeit auch für uns das schlimmste denkbare Szenario“, sagt Gregg Pope, bei Allianz Global Corporate & Specialty in München für das Risikomanagement von Naturkatastrophen zuständig. Dass der Gedanke an die texanische Metropole den Risikoexperten unruhig werden lässt, liegt an den zahlreichen hochmodernen Industriebetrieben in dem Gebiet: Energieversorger, Raffinerien, Hafenanlagen und vor der Küste eine Armada von Ölplattformen. Die Allianz ist dort im Geschäft.
Ganz so genau braucht es Gregg Pope nicht. Ihm reicht es zu sehen, wie die örtlichen Gegebenheiten beschaffen sind, wo es Häufungen von versicherten Industriebetrieben gibt, welchen Risiken sie ausgesetzt sind, und welche Schäden Erdbeben oder Stürme, Vulkanausbrüche oder Überschwemmungen dort anrichten könnten. Google Earth liefert die geographischen Daten; die Angaben über versicherte Objekte, samt Versicherungssummen und Selbstbehalten, steuert Allianz Global Corporate & Specialty bei. „Auf diese Weise“, so Pope, „können wir am Computer sofort sehen, wo wir eventuell gegensteuern müssen.“
Das System soll so optimiert werden, dass neue und aktualisierte Verträge in wöchentlichem Rhythmus in die Datenbank eingespeist werden können. Auf der Landkarte erscheinen sie dann als grüne, gelbe, blaue oder rote Punkte, die mit Informationen über Versicherungsnehmer, Versicherungssumme und die mögliche Schadenshöhe hinterlegt sind. Die roten Punkte zum Beispiel bezeichnen petrochemische Betriebe. Wenn es die trifft, kann es richtig teuer werden.
Wechselt man von der Vogelperspektive in die Schrägansicht, verwandeln sich die Punkte in Säulen, die anhand ihrer Größe die mögliche Schadendimensionen anzeigen.
Ein anschauliches Instrument, wenn es zum Beispiel darum geht, Maklern und Risikoprüfern nahe zu bringen, in einer Region gewisse Zeichnungsgrenzen nicht zu überschreiten. Was nicht heißt, dass man sich aus bestimmten Bereichen völlig verabschieden wolle, unterstreicht Gregg Pope: „Auch durch Rückversicherung oder die Gestaltung der Selbstbehaltklauseln können wir einer unvertretbaren Risikohäufung entgegenwirken.“
Die Planungen sehen vor, mittelfristig alle Einheiten von Allianz Global Corporate & Specialty an das System anzukoppeln. „Mit diesem Instrument werden wir weitaus schneller in der Lage sein, uns ein genaues Bild davon zu machen, was wir in einem Gebiet alles versichert haben und in welchem Ausmaß wir von möglichen Schadensszenarien betroffen sein könnten“, sagt Pope.
Bändigen lässt sich die Natur damit zwar auch nicht, aber zumindest kann man sicherstellen, dass sie einen nicht auf dem falschen Fuß erwischt.