Die Mehrwertsteuererhöhung in Deutschland hat nach Ansicht der Volkswirte von Allianz und Dresdner Bank nur vorübergehend zu einer Verlangsamung des Wachstums geführt. Im zweiten Halbjahr 2007 wird die Wirtschaft wieder an Schwung gewinnen.
- Deutsche Wirtschaft wächst 2007 stärker als erwartet
- Höhere Mehrwertsteuer hinterlässt nur leichte Bremsspuren
- Schub von der Außenwirtschaft hält vorerst an
Die Mehrwertsteuererhöhung in Deutschland hat nach Ansicht der Volkswirte von Allianz und Dresdner Bank nur vorübergehend zu einer Verlangsamung des Wachstums geführt. Im zweiten Halbjahr 2007 wird die Wirtschaft wieder an Schwung gewinnen. Stabilisiert wird das Wachstum durch den Aufschwung am deutschen Arbeitsmarkt, heißt es in einer Prognose von Allianz Dresdner Economic Research.
„Im weiteren Verlauf des Jahres verstärkt sich der Aufschwung wieder. Für diese Entwicklung sprechen zwei Aspekte: das nach wie vor positive Investitionsumfeld und die verbesserten Perspektiven für den privaten Konsum“, sagte Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz und der Dresdner Bank. Zugleich revidierten die Volkswirte in ihrer heute in Frankfurt vorgelegten Konjunkturprognose ihre Wachstumserwartung leicht nach oben: Für 2007 rechnen die Ökonomen nun mit einem Plus des Bruttoinlandsprodukts von 2,0 Prozent (zuvor: 1,8 Prozent), im Jahr 2008 werde das Wachstum 2,5 Prozent (zuvor: 2,3 Prozent) betragen.
Die Weltwirtschaft legt – nicht zuletzt aufgrund der Konjunkturverlangsamung in den USA – 2007 eine etwas ruhigere Gangart ein. Auch die internationalen Finanzmärkte werden sich nach Ansicht der Volkswirte nicht mehr ganz so gut entwickeln wie im vergangenen Jahr. Dennoch erwarten Allianz und Dresdner Bank, dass die Kräfte des Aufschwungs weltweit die Oberhand behalten und die Weltwirtschaft mit (BIP-gewichtet) 3,2 Prozent nach 3,8 Prozent im Jahr 2006 wachsen wird. Für den Euroraum rechnen die Volkswirte für 2007 mit einem soliden Wachstum von 2,5 Prozent, nach 2,6 Prozent im vergangenen Jahr. Die Wirtschaftsbelebung ist inzwischen auch deutlich auf dem Arbeitsmarkt spürbar. Im vergangenen Jahr kamen in den Euroländern rund 2 Millionen Beschäftigte dazu, die Arbeitslosenquote ist auf zuletzt 7,3 Prozent gefallen.
In Deutschland hat sich die Konjunkturdynamik 2006 spürbar beschleunigt. „Das Wachstum steht auf einer deutlich breiteren Basis“, betonten die Ökonomen von Dresdner Bank und Allianz. Die Mehrwertsteuererhöhung hat im ersten Quartal 2007 nur zu einer leichten Abkühlung geführt. Die Wirtschaftsdaten für die ersten Monate des laufenden Jahres waren zwar gemischt. Neben schwachen Einzelhandelszahlen kamen aber positive Signale von den Auftragseingängen und der Industrieproduktion im Februar sowie vom Arbeitsmarkt. Treibende Kraft in diesem Jahr bleiben neben den Exporten vor allem die in Fahrt gekommenen Ausrüstungsinvestitionen. Beim privaten Konsum dürfte es im Verlauf des Jahres unterstützt durch den anhaltenden Beschäftigungsaufbau zu einer deutlichen Belebung kommen.
Die Entwicklung in Deutschland im Einzelnen:
Die private Konsumnachfrage hat 2006 mit einem Zuwachs von 0,8 Prozent nach der ausgeprägten Konjunkturschwäche seit 2002 wieder einen positiven Wachstumsbeitrag geleistet. Aufgrund der Mehrwertsteuererhöhung dürfte der private Konsum im ersten Quartal 2007 mit einem Rückgang von 0,3 Prozent einen deutlichen Dämpfer erhalten haben, so die Volkwirte.
Dennoch haben sich in den vergangenen Monaten die Perspektiven für die weitere Entwicklung des privaten Verbrauchs deutlich verbessert. Der Beschäftigungsaufbau setzt sich mit hoher Dynamik fort. Nach einem Plus von 0,7 Prozent im Jahr 2006 erwarten die Volkswirte für das laufende Jahr einen Anstieg von 1,2 Prozent. Welche Dynamik die Erholung auf dem Arbeitsmarkt mittlerweile erreicht hat, wird deutlich, wenn man die Zahlen im Vorjahresabstand betrachtet: Im März 2007 waren 875.000 mehr Menschen in Arbeit als ein Jahr zuvor. Die Volkswirte gehen davon aus, dass die Entspannung auf dem Arbeitsmarkt auch im weiteren Jahresverlauf anhält, allerdings mit nachlassender Dynamik. Im Durchschnitt des Jahres 2007 erwarten sie knapp unter 3,8 Millionen Arbeitslose, nach 4,5 Millionen im Jahr 2006.
Nicht übersehen werden sollten bei der insgesamt positiven Entwicklung die nach wie vor bestehenden Strukturprobleme am Arbeitsmarkt, wie zum Beispiel Langzeit- und regionale Arbeitslosigkeit. So belief sich die Arbeitslosenquote im März 2007 in Westdeutschland auf 8,1 Prozent, während sie im Osten mit 16,5 Prozent mehr als doppelt so hoch war. Daneben besteht ein deutliches Nord-Süd-Gefälle in Deutschland. So kann man in einzelnen Regionen Baden-Württembergs und Bayerns schon fast von Vollbeschäftigung sprechen.
Die Investitionstätigkeit hat sich im vergangenen Jahr kräftig belebt. Dies gilt insbesondere für den Bau, dem nach Jahren des Rückgangs mit einem realen Anstieg von 4,2 Prozent eine beachtliche Trendwende gelungen ist. Die Ausrüstungsinvestitionen haben 2006 noch einmal deutlich an Schwung gewonnen. Mit einem Anstieg von real 7,3 Prozent verzeichneten sie das stärkste Plus seit dem Boomjahr 2000. Für das laufende Jahr rechnen die Volkswirte mit einem Anstieg von real 6,5 Prozent. Dafür sprechen auch Vorzieheffekte wegen des Entfallens der steuerlich günstigen degressiven Abschreibung auf Ausrüstungsgüter ab dem kommenden Jahr.
Für das Gesamtjahr 2008 erwarten die Volkwirte mit einem Anstieg von etwa 6 Prozent ein etwas schwächeres Wachstum bei den Ausrüstungsinvestitionen. Die wegfallenden Steuereffekte, ein höheres Zinsniveau sowie der erhöhte Lohnauftrieb werden sich im kommenden Jahr dämpfend auf die Investitionsbereitschaft auswirken.
Die Preisentwicklung wird in diesem Jahr im Wesentlichen von drei Faktoren bestimmt: Vom Ausmaß der Überwälzung der Mehrwertsteuererhöhung auf die Verbraucher, von der weiteren Ölpreisentwicklung sowie vom Ausgang der anstehenden Lohnverhandlungen. Am deutlichsten fiel der steuerinduzierte Inflationsanstieg im Januar aus: Saisonbereinigt legten die Verbraucherpreise gegenüber dem Vormonat um 0,5 Prozent zu. Dass sich die Überwälzung nicht in noch höheren Inflationsraten niedergeschlagen hat, ist der Ölpreisentwicklung zu Jahresbeginn zu verdanken. Die Volkwirte rechnen für 2007 mit einem niedrigeren Ölpreis als im Vorjahr. Auf der anderen Seite zeichnen sich höhere Lohnabschlüsse ab, deren Kostenwirkungen zumindest zum Teil an die Verbraucher weitergegeben werden dürften. Insgesamt erwarten die Volkswirte für das laufende Jahr eine durchschnittliche Inflationsrate von 1,8 Prozent, wobei sie für die zweite Jahreshälfte mit einer leichten Beschleunigung des Preisauftriebs rechnen.
Treibende Kraft des Aufschwungs dürfte 2008 insbesondere der private Konsum sein; auf ihn dürfte fast die Hälfte des BIP-Anstiegs entfallen. Die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte könnten im nächsten Jahr so stark zulegen wie seit vielen Jahren nicht mehr. Bei den Investitionen sowie beim Export sehen die Volkswirte von Allianz Dresdner Economic Research eine nachlassende Dynamik. Dagegen stehen die Chancen gut, dass der Preisauftrieb 2008 auf 1,6 Prozent zurückgeht. Für den Arbeitsmarkt gehen die Volkswirte für 2008 im Durchschnitt von rund 3,5 Millionen Menschen ohne Arbeit aus.